Freitag, 21. Juli 2017



INFERNO I-III





... Rolf Friederichs möchte den Kräften auf den Grund zu gehen, die maßgeblich für die Erhaltung der Materie veranwortlich sind. Deshalb, sagte er, sei es Aufgabe der Malerei, sich nicht an den Oberflächen der Gegenstände zu orientieren, sondern ihr 'Innerstes' zu ergründen: "Wir müssen die Dinge tiefer sehen, indem nicht wir über sie hinweg, sondern in Sie hineinschauen". Der Künstler malt die Welt anders.
Auf dem Triptychon, 'Inferno' (1999) bleibt Friederichs der  Wirklichkeit durchaus nahe. Aber er schaltet das Gegenständliche aus. Linien und Flächen gewinnen zunehmend an Bedeutung. Durch Rhythmen, Blitze und Entladungen vermitteln sie uns einen Eindruck von den 'Werdeprozessen', die die Erdkruste durchdringen. Man kann die vielfältigen Bewegungen nachempfinden. Die Palette ist einfach. Rot und Schwarz bilden das bestimmende Kontrastpaar. Beide kommen stark verflüssigt, in transparenten Schichten zum Einsatz: In vollendeten Wogen drängt das Rot zur Mitte des Bildes und entlädt sich wie ein gewaltiger Feuersturm. Das Schwarz hakt sich nur an wenigen Stellen in der Rotmasse fest. Seine felsartig aus der Tiefe ragende Masse kann den Kräften der Rotmasse nicht widerstehen. Zu schwach, sich seiner Gewalt zu widersetzen, zieht es sich zusammen und in sich zurück.
Gewiss, die Farben lösen sich von ihrer beschreibenden Funktion. Es gibt kaum Formen und keine Objekte. Zwischen Intuition und Vernunft hat der Künstler eine Komposition geschaffen, die den 'Werdeprozessen' in ihren wichtigsten Grundzügen nachspürt: Die beherrschenden Farbtöne existieren nicht nebeneinander, sondern bilden ein wechselseitiges Kräfteverhältnis. Farben, Linien und Flächen sind freier, aber ausdrucksstärker und mit einer unfehlbaren Genauigkeit auf die Leinwand geworfen. Sie machen den wesentlichen Gestaltfaktor der Kompostition aus und sorgen dafür, dass der Betrachter nicht außerhalb, sondern in das 'Farbendrama' miteinbezogen wird. Der 'Werdegrund', wie Rolf Friederichs ihn versteht, ist aufwühlend und mitreißend zugleich.  

Der Mystiker Jakob Böhme (1575-1624) hat sich mit der Frage nach der Entstehung und dem Sinn des Bösen intensiv auseinandergesetzt. Er sah in Gott, so sehr er ihn als 'alliebend' schätzte, den Ursprung aller Dinge, auch des Bösen, das zur Schaffung des Guten notwendig ist. Der Mensch, als von Gott erschaffen, lebt in der Polarität des Werdegrundes. Er ist Beides: Dunkel und Licht, Gut und Böse, Liebe und Zorn. Die abstrakte Malerei des 'Werdegrundes', wie Rolf Friederichs sie versteht, nimmt weder auf ein bestimmtes Ereignis bezug noch besitzen die Farben Symbolcharakter. Aber sie bergen Stimmungswerte. Das helle Rot tritt in lebhafter und zugleich gedämpfter Form in Erscheinung. Es ist als Gleichnis jeglichen Werdens - in der Natur, im Menschen, in seiner Geschichte, vielleicht im Weltgrund selbst zu verstehen. 'Schwarz' hingegen wirkt "passiv und stimmt schwermütig". Der Farbton wird allgemein mit Finsternis, Dunkelheit, Abgrund und Hölle gleichgesetzt. Er kann aber auch für 'geistige Blindheit', für die eigene Unzulänglichkeit stehen: Der Mensch, der leichtfertig über das Schöne, über Kunst und Natur hinwegsieht, ohne sich der Konsequenzen seines Handelns bewußt zu sein ...

Anke Friederichs


Inferno (1999), dreiteilige Komposition, Acryl auf Leinwand, je 130 x 90 cm