Dienstag, 5. September 2017



'BRAUNES LAND' I-III  

Der Mensch ist nicht grundsätzlich allem Neuen gegenüber positiv aufgeschlossen. Häufig ist das Bewußtsein des Einzelnen dem raschen Wechsel veränderter Wohnsituationen auch nicht gewachsen. Altgewohntes und Bekanntes, welches wir seit Kindesbeinen kennen, sind Orte, an die man sich meistens gern erinnert und wohin wir auch immer wieder zurückkehren. Dazu gehören Altstadtviertel, Straßenzüge und nicht zuletzt Parkanlagen oder Landschaftsgärten. Sie ziehen mehr als ein Gebäude die Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich, weil ihre Erfahrungswerte nicht allein vom 'Sehen' ausgehen, sondern all das miteinschließen, was die Welt um sie herum ausmacht: die Geschichte einer Stadt, das Dasein ihrer Bürger und deren Sehnsüchte nach Idylle, Ruhe, Romantik, Alltagsflucht und nach Begegnungen. Jeder Garten will eigentlich ein Garten Eden sein und jede Zeit hat ihre eigenen paradiesischen Vorstellungen. Da, wo die Stadt aufhört oder wo wie sich aufzulösen scheint, besteht eine Chance für die Bevölkerung, ein angenehmeres Leben zu führen. Aber diese Orte sind verletzbar. Denn die Natur samt Mensch und Tier wird zunehmend von hohen Betonschluchten, Brücken, Schnellstraßen und anderen für die Menschheit 'absolut nützlichen' Dingen ins Abseits gedrängt. Nichts bleibt am Ende zurück. Kein Baum, kein Strauch, kein Andenken, keine Erinnerung, sondern Entfremdung. Rolf Friederichs schildert ihre Zerstörung und damit verbunden, die Aspekte des 'Ausgeliefertseins' und der 'Verlorenheit' in seinem 1998 entstandenen Triptychon 'Braunes Land'.  In ihm wird deutlich, dass das einst als selbstverständlich verstandene Wachsen und Gedeihen der Natur mit einem Mal hinfällig und vergänglich sein kann. Der Künstler erschafft 'Schwebezustände' mit Gegenständen aus dem Naturbereich, die ihren groben Umrissen nach nur erahnt werden können. Jedes Bild steht für sich. Der Betrachter braucht sich nicht seitlich jedem einzelnen Werk anzunähern, um die Bilder untereinander in Beziehung zu setzen.


Für den Entstehungsprozess aller drei Werke aber sind zwei Handlungsweisen entscheidend: die großzügige Aufteilung in diagonal oder senkrecht verlaufende Ebenen und deren gegenseitige Abgrenzung durch einen nervös, fahrigen aggressiv-linearen Pinselduktus. Manche Bilder wirken haltlos und endlos, als fehle ihr gestalterischer Schwerpunkt wie in 'Braunes Land I', wo ein diagonal einseitiges Wegenetz die Leinwand von links nach rechts überspannt, als bliebe einem nur der Weg von A nach B oder von C nach D und umgekehrt. Das Auge des Betrachters springt hin und her und findet keine Bestimmung. Zerrissenheit breitet sich aus. ... Die Angst steht im Raum, dass aufgrund rein funktionaler, auf das Essentielle gerichtete innerstädtische Planungen, grüne Zwischenräume, und mit ihnen auch der Garten, völlig aus dem Blickfeld rücken. ...

Spannungsreich liest sich auch das Werk 'Braunes Land II': Schicht um Schicht wirkt der Eindruck gesteinsähnlicher Ablagerungen, Erdwälle oder getrockneter Holzstöße, die ohne Rücksicht auf ihre plastische und gegenständliche Qualität scheinbar übergangslos auf der Bildfläche verteilt wurden. Schlierenartig durchziehen schwarze und weiße aus der Tube gepresste Linien die Bildfläche.  Alles Leben ist gewichen. Das Bild ist wie der Verfall des Schönen, einer einst perfekten, kraftvollen Natur, die nun den Eingriffen der Zivilisation nicht länger standzuhalten vermag. Dabei variiert der Künstler nicht nur die unterschiedlichen Farbwerte, sondern er legt besonderen Wert auf ihre Erscheinungsweisen. 'Schwarz' etwa besitzt eine andere physische Präsenz als 'Braun' und 'Beige'. Der Grafiker bedient sich nicht nur dieser Farbe, sondern er betont ihren Eigenwert, indem er sie unverdünnt, ohne Substanzverlust aus der Tube in mehreren Schichten auf die Leinwand presst. Zum Einen werden Akzente freigesetzt. Gleichzeitig gelingt es Rolf Friederichs durch die reine, reflektierende Oberfläche von 'Schwarz' die Spannung zwischen den Flächenformen aufrecht zu erhalten. Der Betrachter wird Zeuge eines Kräftespieles nahezu gleichstarker Substanzen, welches sich schließlich zugunsten der dunklen Farbtöne auf die rechte Seite des Bildes verlegt. Ein Gefühl der Ohnmacht vermitteln die übereinander und nebeneinander sich türmenden Schichten aus Steinen und Geröll. Reste von Ast- und Strauchwerk sind kaum zu verorten.

Die fast eindimensionale Linienführung der Studien 'Braunes Land II und III' lassen auf den ersten Blick beide Werke zum Verwechseln ähnlich erscheinen. Bei genauem Hinsehen verdichtet sich im dritten Bild nicht nur der Leerraum zwischen den Flächen. Ihre Farbtöne wirken abwechslungsreicher: Ein warmer dunkler Grauton im Wechsel mit Orange- und Rosttönen beleben die Oberfläche. Ihre Umrisse lassen den Betrachter im Ungewissen, ob er es mit Abstraktionen oder realen Dingen der Natur zu tun hat. Manches erinnert an Herbstlaub, an Äste und Zweige. Mit einem rasanten fast hektischen Pinselstrich sind die Arrangements so angeordnet, dass der Eindruck entsteht, der Künstler sei selbst das Opfer einer plötzlich einbrechenden Naturgewalt, deren Ausgang er selbst nicht einzuschätzen vermag. Dann wieder schieben sich helle unbehandelt weiße Farbflächen dazwischen. Wie ein Nebel, teils seltsam kreidig und vage breiten diese sich über die Leinwand aus und beginnen alles, was sich ihnen nähert, zuzudecken. - Eine Unfarbe also, die das Ganze auslöschen und im Keime ersticken soll?! Nur an den seitlichen Ausläufern strahlen helle Gelborangetöne. Der Künstler drückt vor dieser optischen Haltlosigkeit seine tiefe Resignation aus. Von dem 'Andenken' ist nichts geblieben. Das schwarzgebräunte Holz zeigt die Zerstörung auf. Vorbei und unwiderbringlich ist alles Leben ausgelöscht. Nicht einmal der Name des Platzes, der sich an jener Stelle befand, hat überlebt. ... Der Betrachter spürt, dass sich in diesem Bild eine malerische Handlung ausbreitet, die keine kalkulierten Brüche, sondern Spuren individueller Willkür aufweist.

Anke Friederichs



'BRAUNES LAND I', 1998, Acryl auf Leinwand, 98 x 118 cm

'BRAUNES LAND II', 1998, Acryl auf Leinwand, 98 x 118 cm

'BRAUNES LAND III', 1998, Acryl auf Leinwand, 98 x 118 cm